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Einsatz für Feldhamster gewürdigt

03. Juli 2024 | Naturschutz, Landwirtschaft

Gemeinsame Pressemitteilung von BUND Thüringen, Deutscher Verband für Landschaftspflege, NABU Thüringen, Stiftung Naturschutz Thüringen, Thüringer Bauernverband, Thüringer Ökoherz e.V. und Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft:

Verbände aus der Landwirtschaft und dem Naturschutz zeichnen „Feldhamsterfreundliche Natura 2000-Landwirte“ aus

Um ihre herausragenden Leistungen zum Erhalt und Schutz des Feldhamsters zu würdigen, wurden am heutigen Mittwoch, 03.07.2024, drei Thüringer Betriebe mit der Auszeichnung „Feldhamsterfreundlicher Natura 2000-Landwirt“ geehrt. Der Landwirtschaftsbetrieb Birnbaum, die Geratal Agrar GmbH & Co. KG Andisleben sowie die Rose Saatzucht Erfurt erhielten die Anerkennung. Die Prämierung als „Natura 2000-Landwirt“ wird seit 2018 jährlich gemeinsam von Landwirtschafts- und Naturschutzverbänden durchgeführt und widmet sich in diesem Jahr erstmals einer gefährdeten Art, dem Feldhamster. Damit möchten die Verbände auf die Gefährdung, aber auch auf die Chancen und Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensräume des Nagers aufmerksam machen. Thüringens Umweltminister Bernhard Stengele und Staatssekretär des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft, Torsten Weil, gratulierten den ausgezeichneten Landwirt*innen.

Sebastian König, Landesgeschäftsführer des BUND Thüringen: „Unsere Landwirtinnen und Landwirte leisten einen unersetzlichen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt in unserer Kulturlandschaft, insbesondere in Natura 2000-Gebieten. Mit der Auszeichnung möchten wir das Signal senden, dass Naturschutz und Landwirtschaft Hand in Hand gehen können. Thüringen ist eines der letzten Rückzugsgebiete für den Feldhamster. Ohne das Engagement der ausgezeichneten Betriebe wäre das nicht möglich.“

"Der Feldhamster ist in Thüringen vom Aussterben bedroht und sein Bestand sinkt weiterhin ungebremst. Intensive Landwirtschaft, Flächenversiegelung und die Zerschneidung der Landschaft sind Hauptgründe für diesen Rückgang. Der Feldhamster hat aber nach wie vor ein Imageproblem und ist nicht überall akzeptiert. Die drei ausgezeichneten Betriebe zeigen, wie unbegründet die Vorbehalte sind. Der Feldhamster braucht Landwirtinnen und Landwirte, die sich für ihn einsetzen. Mit der Auszeichnung wollen wir Betriebe ehren, die vorbildlich im Sinne der Natur handeln und zum Nachahmen anregen", sagt Dirk Hofmann, stellvertretender Vorsitzender des NABU Thüringen.

„Das Überleben des Feldhamsters ist uns ein besonderes Anliegen. Mit unserer Arbeit lenken wir die Aufmerksamkeit der Bevölkerung und der Landwirtschaft auf seinen Schutz, denn nur gemeinsam können wir die notwendigen Anstrengungen bewältigen“, so Carlotta Schulz, stellv. Geschäftsführerin der Stiftung Naturschutz Thüringen. „Die ausgezeichneten Betriebe zeigen eindrucksvoll, wie erfolgreich eine Zusammenarbeit aus zielgerichteter Beratung, engagierten Landwirtinnen und Landwirten sowie effektiver Förderung sein kann.“

Die diesjährige Auszeichnung mit dem Schwerpunkt „Feldhamsterschutz“ zeigt, dass jeder Betriebstyp in den Vorkommensgebieten, unabhängig von den Betriebsstrukturen, wertvolle Beiträge für den Schutz der Feldhamster, als Art, für die Thüringen hohe Verantwortung trägt, leisten kann. Und neben der Anerkennung für die Preisträger freut es uns als Berufsstand auch besonders, dass die Natura 2000-Stationen seit der Auslobung dieses Preises jedes Jahr verschiedenste landwirtschaftliche Unternehmen als Preisträger vorschlagen können, was die Vielfalt und das Engagement der Thüringer Landwirt*innen für den Naturschutz verdeutlicht“, schließt Udo Große, Vizepräsident des Thüringer Bauernverbandes:

Das Kompetenzzentrum Natura 2000-Stationen sowie der Thüringer Bauernverband e.V., die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Ökoherz e.V., sowie die Träger des Kompetenzzentrums, der BUND Thüringen e.V., NABU Thüringen e.V. und der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) e.V. küren seit 2018 „Natura 2000-Landwirte“, um auf die Bedeutung der Arbeit von Landwirt*innen aufmerksam zu machen. Neu in diesem Jahr: Erstmals findet die Prämierung gemeinsam mit der Stiftung Naturschutz Thüringen statt.

Die Vorschläge für Landwirt*innen kamen aus den Natura 2000-Stationen und der Sonderaufgabe Feldhamsterschutz, welche vor Ort in ihren Regionen zahlreiche Projekte mit ihren Partnern aus der Landwirtschaft initiieren. Diese Vorschläge wurden anschließend durch eine sechsköpfige Fachjury bewertet. In diesem Jahr wird darüber hinaus ein Betrieb, die Rose Saatzucht Erfurt, für sein besonderes Engagement im Bereich Natura 2000 ausgezeichnet. Diese Ehrung landwirtschaftlicher Betriebe durch die Verbände ist ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Landwirtschaft.

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Bildunterschrift: Thüringens Umweltminister Bernhard Stengele und Staatssekretär des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft, Torsten Weil, gratulierten den ausgezeichneten Landwirt*innen. V.l.n.r.: Sara Flüge, Thüringer Ökoherz e.V.; Bernhard Stengele, Thüringer Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz; Christoph Birnbaum, Landwirtschaftsbetrieb Birnbaum; Annegret Rose, Rose Saatzucht; René Döring, Geratal Agrar GmbH & Co. KG, Torsten Weil, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft; Carlotta Schulz, stellv. Geschäftsführerin der Stiftung Naturschutz Thüringen; Anna Swiatloch, Leiterin Kompetenzzentrum Natura 2000; Udo Große, Vizepräsident des Thüringer Bauernverbandes. 

Weitere Zitate:

„Die prämierten Betriebe zeigen uns, wie Agrarnaturschutz erfolgreich funktioniert“, unterstreicht Dr. Jürgen Metzner, Geschäftsführer Deutscher Verband für Landschaftspflege. „Um mehr Betriebe zum Mitmachen zu bewegen, brauchen wir attraktive Förderbedingungen. Die Zahlungen sollten dabei nicht nur den Ertragsausfall zur normalen Bewirtschaftung kompensieren. Die Betriebe müssen mit Naturschutz dauerhaft Geld verdienen können!“

Dazu Dr. Susanne Kipp, Vorstandsmitglied des Thüringer Ökoherz e.V.: „Es ist inspirierend zu sehen, wie Betriebe in Thüringen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus aktiv zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen. Dies erfordert nicht nur ein hohes Maß an Engagement und Fachwissen, sondern auch innovative Ansätze und den Mut, neue Wege zu gehen. Die ausgezeichneten Betriebe sind Vorbilder für uns alle und beweisen, dass der Schutz unserer natürlichen Ressourcen eine gemeinsame Anstrengung ist, die letztlich allen zugutekommt. Ich hoffe, dass ihr vorbildliches Engagement weitere Landwirte ermutigt, ebenfalls einen aktiven Beitrag zum Naturschutz zu leisten."

Die prämierten Betriebe leisten Herausragendes für den Erhalt und Schutz des Feldhamsters. Sie stehen damit stellvertretend für viele weitere Landwirtschaftsbetriebe in Thüringen, die sich weit über die gesetzlichen Vorgaben für den Naturschutz engagieren. Angesichts der Auswirkungen der Klimakrise und des Artensterbens müssen es aber mehr werden. Dafür müssen Umwelt- und Klimaleistungen der Landwirtschaft von der Politik endlich entsprechend honoriert werden", sagt Anne Neuber, Geschäftsführerin Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V.

Zu den Preisträgern:

Geratal Agrar GmbH & Co. KG Andisleben
Der Betrieb integriert pfluglose Bodenbearbeitung und hat bereits zu DDR-Zeiten mit der Anlage von Hecken und Blühstreifen begonnen. Diese Maßnahmen fördern die Biodiversität und den Erhalt wertvoller Lebensräume in der Agrarlandschaft. Seit der Einführung des Kulturlandschaftsprogramms (KULAP) nutzt der Betrieb diese Fördermöglichkeiten intensiv und ist heute der größte Antragsteller hochwertiger Hamsterschutzmaßnahmen in Thüringen. Die Nutzung von Zwischenfrüchten ist seit langem in die Fruchtfolge integriert und trägt zur Bodenfruchtbarkeit und Erosionskontrolle bei. Mit mehr als 15 Hauptfruchtarten im Anbau und 18 verschiedenen Kulturen wird eine hohe Diversität auf den Feldern erreicht. Seit über 20 Jahren wird auf 95 Prozent der bewirtschafteten Fläche auf den Einsatz des Pflugs verzichtet, was den Boden schont und die Bodengesundheit fördert.
Das langjährige Engagement in der Stiftung Lebensraum, der Naturschutz und die aktive Teilnahme an der Jägerschaft unterstreichen das hohe Engagement des Betriebs im Umwelt- und Artenschutz. Die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie ist fest in der Firmenphilosophie verankert und zeigt, dass auch Großbetriebe jenseits der 3000 Hektar einen bedeutenden Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten können.

Rose Saatzucht Erfurt
Der Betrieb hat 25 Jahre Erfahrung in der professionellen Betreuung von über 200 Kulturen aus Heil- und Kräutersaatgut, Gemüse und Blumensaatgut. Seit etwa 10 Jahren sind alle Flächen im ökologischen Landbau, was die Vielfalt auf den Betriebsflächen zusätzlich erhöht hat. Besonders bemerkenswert ist, dass sich auf den Betriebsflächen ein Hotspot für Feldhamster in Thüringen befindet – nicht einmal 700 Meter vom Erfurter Dom entfernt. Die Anbaustruktur des Betriebs bietet allerdings nicht nur Feldhamstern, sondern auch anderen Tieren der Feldflur, wie Rebhühnern, Rotmilanen, Feldlerchen und Feldhasen einen Lebensraum. Die Rose Saatzucht Erfurt zeigt eindrucksvoll, wie nachhaltige und ökologische Landwirtschaft erfolgreich umgesetzt werden kann und gleichzeitig einen bedeutenden Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität leistet. Darüber hinaus erschließt der Betrieb auch kontinuierlich innovative Geschäftsfelder und engagiert sich in verschiedenen Förderprojekten, darunter: Pflanzen-Hydrolate im ökologischen Anbau, mobile Technik sowie REGIO-SAAT: Regionale Wildsamenmischungen für Blühflächen und Feldsäume in Thüringen.

Landwirtschaftsbetrieb Birnbaum
Der Landwirtschaftsbetrieb Birnbaum zeigt vorbildliches Engagement im Feldhamsterschutz. Mit einer bewirtschafteten Fläche von 40,5 Hektar Ackerland und 56,4 Hektar Grünland sowie einer vielfältigen Tierhaltung – 8 Schafe, 60 Schweine und 350 Geflügeltiere – setzt der Betrieb auf nachhaltige Landwirtschaft. Die Betriebsflächen befinden sich im Feldhamster-Schwerpunktgebiet rund um Erfurt. Von 2018 bis 2022 wurden auf diesen Flächen Kartierungen durchgeführt, die eine stabile Anzahl von Feldhamsterbauen nachwiesen. Im Rahmen des Feldhamsterlandes setzt der Betrieb auf den am dichtesten besiedelten Schlägen den "Streifenanbau" um. Diese Anbauweise bietet den dort lebenden Feldhamstern optimale Lebensbedingungen und trägt zur Stabilisierung und Verbesserung ihrer Population bei.

 

Hintergrund:

Situation des Feldhamsters in Thüringen und Deutschland
Der Feldhamster ist auf eine feldhamster- und naturfreundliche Bewirtschaftung angewiesen, um zu überleben. Weltweit und in Deutschland hat die Modernisierung der Agrarwirtschaft zu einem dramatischen Rückgang seiner Populationen geführt. Der Feldhamster, einst häufig in den offenen Landschaften Deutschlands anzutreffen, ist heute stark vom Aussterben bedroht. Intensive landwirtschaftliche Praktiken, Urbanisierung und der Verlust natürlicher Lebensräume, sowie der Einsatz von Pestiziden und die Zerstörung von Brachflächen haben seine Bestände stark reduziert. In vielen Regionen Deutschlands steht der Feldhamster mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. In einigen Bundesländern gilt er bereits als ausgestorben. In Thüringen, einem der letzten Rückzugsgebiete des Feldhamsters in Deutschland, sieht die Situation ähnlich besorgniserregend aus und dass, obwohl Thüringen eine besondere Verantwortung zukommt, da nur hier der „Schwärzling“, ein Feldhamster mit einer besonderen Fellzeichnung, vorkommt. Auch im Freistaat sind die Zahlen rückläufig, bedingt durch den Verlust von Lebensräumen, intensive landwirtschaftliche Nutzung und Pestizideinsatz. Besonders problematisch ist das Verschwinden von Brachflächen und Randstreifen, die wichtige Rückzugsorte und Nahrungsquellen für den Feldhamster darstellen. Mechanisierte landwirtschaftliche Praktiken gefährden die Tiere zusätzlich, indem sie die Feldhamster und ihre Bauten zerstören. Zu den Maßnahmen zum Schutz des Feldhamsters zählen unter anderem Reduzierung der Schlaggröße, Stehenlassen von Stoppelbrachen als Schutz, Förderung von Ackerwildkräutern oder Anlage von Brachflächen und Randstreifen.

Natura 2000
1992 hat die Europäische Union beschlossen, ein Schutzgebietsnetz „Natura 2000“ aufzubauen - zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume, Tierarten und Pflanzenarten. Es setzt sich aus Schutzgebieten der Fauna-Flora-Habitat-Richtline (FFH-Richtlinie) und der Vogelschutzrichtlinie zusammen. Diese Richtlinien bilden die Grundlage von „Natura 2000“. Derzeit sind circa 18 Prozent der Landfläche der EU als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen. Somit ist es das größte, grenzüberschreitende, koordinierte Schutzgebietsnetz weltweit. „Natura 2000“ ist eine wertvolle Grundlage für den Erhalt der biologischen Vielfalt in der EU.

Pressekontakt:
Anne Werner | Kerstin Neumann, BUND Thüringen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. +49 361 5550314; Mobil: 0176 13338564 oder 0176 13338510, presse(at)bund-thueringen.de

Jürgen Ehrhardt I Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit I NABU Thüringen I Tel. +49 3641 605704, oder Mobil: 0151 72410650, Juergen.Ehrhardt(at)NABU-Thueringen.de

Nancy Kühnel, Stiftung Naturschutz Thüringen, Pressestelle, Tel. 0361 / 57 39 31 204, presse(at)snt.thueringen.de

Leonhard Stobernack, Deutscher Verband für Landschaftspflege, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. +49 981 18009924: Mobil: 0176 40756252, presse(at)dvl.org

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